Tuesday 31 October 2017

Der General B und die Solothurner Couronne (Krone)

Mitten in Solothurn, an prominenter Stelle zu Füssen der St. Ursenkathedrale steht ein elegantes Haus, welches erst dieses Jahr nach langer Umbauzeit wieder eröffnet worden ist - das Hotel de la Couronne.  
Photo: www.lacouronne-solothurn.ch/

Wie früher schon ist es wieder das erste Haus am Platz, doch man mag sich fragen, weshalb es hier Erwähnung findet, abgesehen von seinem Platz in der Ortsgeschichte?


Picture courtesy of SRF


Nun ja - das erste Haus am Platz hatte 1797 die "Ehre" dem General Bonaparte ein Festessen auszurichten. Der Wirt Franz Josef Schmid legte sich ins Zeug, und tischte auf, was Küche und Kammer hergaben, hielt die Speisen bereit, dass egal wann denn der General vorbeikäme, etwas bereitstünde, und heizte während zweier Tage den grossen Saal und zwei Zimmer...

Jedoch... Bürger General Bonaparte blieb in seiner Berline sitzen, begnügte sich mit einem Glas Wasser.

Photo: A Reeves April 2017

Die Rechnung von £ 1417 für das Festmahl sowie Pferdewechsel wurde von der Republik nie beglichen, und hängt heute noch immer als prominentester Ausstand im Foyer des Hotels. (die Lokalbehörde schob die Rechnung nach Frankreich, die befanden, sie hätten nichts bestellt, dass habe die lokale Obrigkeit zu verantworten und auch zu bezahlen)

Die Originalrechnung vom Alten Franz Schmid auf der linken Seite, Deutsch Französisch vermischt, darunter die Attestation dass der General nur ein Glas Wasser verlangt habe.
Photo: A. Reeves April 2017

Rechts die saubere Abschrift in gutem Französisch und einer leserlichen Schrift
Photo A. Reeves April 2017

Und das Ganze liest sich: 
Mois de Novembre

Mes gracieux seigneurs et Maîtres Doivent
17.18 et 19, puis les 21.22 (novembre) 5 jours
35 chevaux par jour                                                        L 1050.—
23. Sont arrivé M. le Général annoncé 4 Messieurs de Berne,
avec 15 hommes, en partie des cochers, en partie des serviteurs,
1 courrier de Fraubrunnen et quelques hommes de la
milice a cheval avec 14 chevaux jusqu’au 24                         £ 115.16
                                                                                                     £ 1165.16


La Générosité attendue a fait défaut n’ai rien reçu (habe nichts erhalten)
# 23 & 24. 21 chevaux pour Balstal                                        £. 252.- 
          Pour plusieurs courriers de passage –thé. Vins et liqueurs,
          idem pour l’illumination de la Salle et des deux pièces attenantes,
          tenue prêtes pour la réception du Général Bonaparte, selon la
          volonté de nos gracieux Seigneurs et Maitres, idem pour quelques
          plats préparés à tout hasard pour être servis au Général le cas
          échéant. Idem pour le chauffage de la Salle et des deux pièces
          voisines et le feu de cheminée, pendant deux jours et deux
          nuits, je m’en permets pour tout cela à la générosité de mes
          gracieux Seigneurs et Maitres                                    
  
                                                                                à payer =   £. 1417.16


        La facture ci-dessous a été écrite de la propre main du vieux Monsieur
Franz Schmid comme propriétaire de l’auberge et qui a fait rebâtir à neuf
l’Hôtel de la Couronne à Soleure.
        Le sous-signé se trouvait là en 1797 comme sommeiller lorsque
 le Général Bonaparte 1er est arrivé à Soleure, est resté dans sa berline et
a réclamé un verre d’eau, alors que son adjudant qui était assis à côté
de lui, m’a remis pour ma peine une pièce d’or sur l’assiette
                                                                                  Attesté par :
                                                                                  Andr. Bichly



Nehmen wir nun also die Rechnung, die in der Couronne in Solothurn offenblieb, dann war die mit £ 1417. Wenn das 1417 Louis wären, wie gerne angenommen dann entspräche dies 34000 Livres.
Oder - war sie "nur" 1417 Livres und nicht Louis? Das würde Anbetracht des Wertes auch mehr Sinn machen. 

Ich empfinde es als sehr schwierig, die Kaufkraft einer früheren Währung zu beziffern, ich versuche aber, es irgendwie (auch für mich) verständlich zu übersetzen. (Die Mitarbeiter vom Münzkabinett Winterthur würde nun sicherlich amüsiert den Kopf schütteln. Übrigens - Das kleine aber feine Museum lohnt die Reise nach Winterthur!)

Normalerweise schau ich an, wieviel ein Handwerker verdient, wieviel ein Hausdiener, eine Zofe etc.
Dann behalte ich im Hinterkopf, dass ca 95-98% für Lebenshaltungskosten draufgeht, und vergleiche Lebensmittelpreise, wie man heute die Kaufkraft auch über einen Warenkorb beziffert. 
Das Ganze dauert einfach immer seine Zeit, ist nicht wirklich fundiert, da die meisten Informationen auf dem Netz zusammengesucht werden.

Wikipedia meint dazu: 

Louis d’or entsprach 24 Livres, 1 Sou oder Sol waren ein Zwanzigstel Livre, 1 Liard entsprach ein Viertel Sou. 1 Sou wiederum waren zwölf Deniers. Es gab ein und zwei Sou oder Sol Münzen. Drei Deniers entsprachen einem Liard. 3 Livre waren ein Taler (Écu).

Ein durchschnittliches table d’hôte oder Mittagsmenü kostete 1 Livre; der Preis für ein Brot lag zwischen 2 Sous bis 12 Sous. Eine Tasse Café au lait in einem Straßencafé kostete 2 Sous. Der gewöhnliche Sitzplatz in der Comédie françaisewar für 1 Livre und in der Opéra für 2 Livres, 8 Sous zu erwerben. Die Fahrt mit einer Postkutsche, carrosse von Bordeaux nach Paris kostete 72 Livres.[3] Ein Drucker etwa bei der Produktion der Encyclopédie verdiente 2 Livre pro Tag, ein Vorarbeiter deren 3.
Ein Pferd für einen Handlungsreisenden kostete ungefähr 100 Livre,
eine neue Druckpresse schlug mit 300 Livre zu Buche, eine gebrauchte war für 250 Livre zu erstehen, ein 
Ries entsprechen 500 Bogen Papier und kosteten 9 Livres.[4]
Ein 
Minot Salz kostete 60 Livre und 7 sous.
Das 
Schuhputzen kostete in Paris um das Jahr 1775 2 Liards, also 6 Deniers.[5]
Der Preis für die durch Regierung unterstützte Gazette kostete als Jahresabonnement im Jahre 1774 12 Livres und 1785 15 Livre.
[6][7] Die Dirnenentlohnung bewegte sich um das Jahr 1790 in der Gegend des Palais Royal in Paris zwischen 7 und 20 Livres.[8]



Weiterführende Links:
https://en.wikipedia.org/wiki/Hotel_Krone,_Solothurn
http://www.lacouronne-solothurn.ch/
https://www.srf.ch/news/regional/aargau-solothurn/solothurn-hat-seine-krone-wieder


Merci an Kitty, ich hab den Fehler wirklich nicht gesehen :-)

Friday 13 October 2017

Die Zürcher Platzpromenade

Im kürzlich geschriebenen Beitrag über Salomon Gessner habe ich den Platzspitz erwähnt. Da für viele der Name Platzspitz gleichbedeutend mit dem Drogenelend des "Needleparks" in den 1990er Jahren ist, habe ich mich entschieden, hier etwas über die Geschichte der Platzpromenade zu schreiben. Denn ein Park, den Sophie von la Roche nach einen Spaziergang mit unserem Gessner lobend erwähnt, hat etwas mehr Aufmerksamkeit verdient.
„Ich glaube, dass es wenig solche öffentliche Spaziergänge giebt. Unvergesslich ist dieser Spaziergang mir eingedrückt, weil ich da viele von den verehrungswürdigsten Männern von Zürich um meinen edlen Reisegefährten sah, und also zugleich kennen lernte.“

Wie man auf dem Plan Adrian Müllers erkennen kann, liegt die Platzpromenade auf dem Spitz der Sihlmündung, die sich dort der Limmat anschliesst. Ursprünglich war der Platzspitz der mittelalterliche Schiess & Exercierplatz ausserhalb der Stadtmauern, im 18. Jahrhundert wandelte er sich zur Stadtpromenade, wo man sich für die seelische Erquickung, fürs Sehen und Gesehen werden hinbegab. Die Gestaltung mit der Allee, die Sophie de la Roche so gefallen hat, wurde 1780 umgesetzt.
Plan von 1793, von Adrian Müller
Quelle: Wikicommons
Aber woher die Begeisterung für Parks, für das gepflegte Schlendern, den sonntäglichen Müssiggang? Ich denke, wir müssen uns da wie schon bei der Lektüre von Gessner und später auch Wieland vor Augen führen, dass die Zeitgenossen und die darauffolgende Generation sehr von Rousseaus Idealen geprägt war. Der gebildete Bürger sehnte sich nach einer Natürlichkeit, nach einem Stück authentischer, unschuldiger Natur.
Dies war in den Städten nicht zu finden; Wir dürfen nicht vergessen, damals standen meist überall noch hohe Stadtmauern (In Zürich findet sich ein Rest der Schanzenanlage sowohl im Stadtplan vom Kreis 1, sowie der Sihl entlang Richtung See, auch eine schöne Promenade), welche meist erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts geschleift wurden.


Und ja, auch hier können wir unserem Herrn Gessner nicht entgehen, das Denkmal war schon in den 1780er Jahren eine Sehenswürdigkeit
[Franz Müller:  Dem Andenken des seligen Herrn Salomon Gessner weiland Rathsherrn in Zürich,
berühmten Dichters und Mahlers : [Gedicht] / von einem alten Freunde des Seligen und der Kunst, Zürich 1788,
Titelvignette von Johann Rudolf Holzhalb (1723–1806).
Quelle: 
https://www.hr-lavater.ch/2013/02/20/literarischer-tombeau-fur-salomon-gessner/

Und ein kleines Panoramabild von einem Spätsommertag auf der Platzpromenade (Nicht von diesem Jahr, heuer war es meist etwas verregnet)
Photo: A.Reeves 




Weiterführende Links:
PDF der Stadt Zürich zur Geschichte der lokalen Parks und Promenaden
https://de.wikipedia.org/wiki/Platzspitz
Kollektion digitalisierter Drucke der Schweiz: E-Rara.ch

Tuesday 10 October 2017

Salomon Gessner (1. April 1730 - 2.März 1788)- ein Zürcher Selfmademan erobert Europa

Wer in Zürich gelebt hat, hat früher oder später mal den Namen Gessnerallee gehört, das Gessnerdenkmal auf dem Platzspitz gesehen (oder vor 20 Jahren noch das "Gessner-Parkhaus" erlebt).
Beschäftigt man sich mit  der Literatur, die die Zeit um 1800 beinflusst hat, kommt nicht um den Zürcher Dichter herum. Er war hoch gefeiert, heute beinahe vergessen, und nur noch als Flurname bekannt, was ich eigentlich sehr bedauere

Ich bin über die Radierungen in Emilie von Berlepsch's Sommerstunden (ein Wunderbares Buch) auf Gessner gekommen, und hab erst einmal einen Zuckerschock erlitten.
Gessner feiert in seinen Idyllen das bukolische Idyll, eineWelt, die es eigentlich nie gab.
Ein Arkadien, welches antike Züge hat, und doch durch und durch romantisch verklärt ist.

Für den modernen Leser ist Gessner zuweilen "Starche Tuback" - und liegt zuweilen etwas quer im Hals, bei seinen Zeitgenossen hatte er aber voll ins Schwarze getroffen; Rousseau und Diderot überschlagen sich und können ihn kaum genug loben. "Je sens que votre ami Gessner est un homme selon mon coeur" wie Rousseau an Huber schreibt (und ich frage mich grad, was hielten eigentlich die frühen Jenaer Romantiker von Gessner? Völlig veraltet oder noch immer topmodern?)

Eine Kostprobe aus seinen Idyllen:
Hier wollen wir dann ins weiche Gras uns lagern, wenn Ziegen an der felsichten Seite klettern, und die Schafe und die rinder um uns her im hohen Grase waten; dann wollen wir über das weit ausgebreitete Thal hinsehn, ins glänzende Meer hin, wo die Tritonen hüpfen, und wo Phöbus von seinem Wagen steigt, und wollen singen, dass es weit umher in den Felsen wiedertönt, dass Nymphen still stehn und horchen, und die Ziegenfüssigen Waldgötter.

Wer mehr lesen möchte, dem empfehle ich, dem Link hier  zum Digitalisat zu folgen.

Ursula Pia Jauch von der NZZ (übrigens auch eine Gründung von Gessner) hält aber fest:
Was wir heute leichthin und etwas verächtlich als Bukolik rubrizieren, ist entstanden in der dunkelsten Zeit der Zürcher Sittenmandate. Die Einwohner sind gegängelt von tausenderlei Vorschriften vom Kirchenbesuch über die Kleiderordnung bis hin zur selbstverständlichen Bücherzensur. Man muss dieses Klima der polizeistaatlichen Unfreude, Furcht und Sprödigkeit vor dem geistigen Auge haben, um den nicht einmal so kühnen, sondern vor allem befreienden Ton nachvollziehen zu können, den Gessner anschlägt, wenn er die Hand seines Schäfers auch einmal «auf dem leichtbekleideten Schoosse» seines Mädchens spielen lässt. Mit einigem Glück hat Gessner seine Werke an der Zensur vorbeigebracht, und gewagt waren nicht nur die Schäferszenen, sondern auch diese oder jene deutliche Bemerkung über Armut auf dem Land und die Korruption der politischen Macht.
Quelle: NZZ 1.4.2005

Salomon Gessner - ein sehr interessanter Mann.

Ein Buchbinder- und händlerssohn, der eigentlich in Berlin in der Spenerschen den Buchhandel hätte lernen sollen, aber dann lieber zeichnete und dichtetet. Der sich gegen den Willen seiner Eltern verheiratete (nach Judith Gessner geb. Heidegger ist ein kleiner Platz entlang der Sihl im Zürcher Kreis 1 benannt) und beruflich nach anfänglichen Startschwierigkeiten Anerkennung fand.

Er stand unter anderem der Zürcher Porzellan- und Fayencenmanufaktur vor, war als Sihlherr zuständig für die Versorgung der Stadt Zürich mit Brennholz aus dem Sihlwald. Das von ihm mit-gegründete Verlagshaus "Orell, Gessner, Füssli & Cie" gibt es heute noch, als "Orell Füssli" einer der grossen in der Schweizer Buchhandlungs- und  Verlagslandschaft.

Erste Seite der Zürcher Zeitung, dem Vorgänger der NZZ
Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=53056

Gessner erscheint als anpackender Mensch, ein Praktiker. Und grad darum fasziniert mich, wie er den arkadischen-Schäfer-Idyllendichter und den Macher unter einen Hut gebracht hat.

Ein paar Bilder, die ich auf einem Stadtbummel geschossen habe:

Das Gessnerdenkmal auf dem Zürcher Platzspitz
Photo: A. Reeves
Inschrift von Nahem
Photo: A.Reeves


Zunfthaus zur Meisen an der Limmat, gegenüber dem Grossmünster.
 Gessner wurde 1765 für die Zunft zur Meisen in den Grossen Rat gewählt.
1767 dann in den Kleinen Rat. Im Zunfthaus zur Meisen ist heute die
  Porzellansammlung des Schweizer Landesmuseums untergebracht.
Photo: A. Reeves


Das Haus zum Schwanen, wo Gessner ab 1736 gewohnt hat
Photo: A Reeves
Goethe hat sich in seinen Reisebeschreibungen eher über Lavater ausgelassen,
aber wir wissen, dass sein Ego zuweilen Mühemit in "seinem" Feld
erfolgreichen Menschen hatte. (Man denke nur daran, dass
er seine Zeichenkünste der von A. Kauffmann ebenbürtig dachte)
Photo: A. Reeves
Ein stattliches Bürgerhaus, und heute bummelt man einfach so daran vorbei, ohne zu wissen, wer eigentlich da einst gewohnt hat.
Photo: A. Reeves



Links die nicht direkt im Text eingebaut sind, und dennoch interessant sind:

Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Salomon_Gessner
https://de.wikipedia.org/wiki/Emilie_von_Berlepsch

HLS - Historisches Lexikon der Schweiz
http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D11825.php